Dieses Interessante Projekt, das eine Jazz-Brücke zur Gregorianik wagt, entstand 2008 im Rahmen des Musikfestivals zur 900-Jahr-Feier der Stadt Oldenburg. Es war für alle damals beteiligten Musiker ein ergreifendes und spannendes Musikerlebnis.

Der Live- Mitschnitt wurde bei itchy-dog-records 2014 als CD "KYRIE" veröffentlicht.

 

Der Publizist  Christian Emigholz schreibt dazu Folgendes:

HCL-Quartett und Choral-Schola

Es gibt eine eigentümliche Kongruenz zwischen der Musik der Avantgarde und der des Jazz sowie der frühesten europäischen Musik: Diese Musikformen aus so unterschiedlichen Zeitperioden gelten als schwierig und kompliziert zu hören. In jüngster Zeit haben diverse Ensembles aus dem scheinbaren Problem eine Tugend gemacht: Nicht nur Jazzmusiker zeigen ein starkes Interesse an der Erkundung und Bearbeitung der Musik der Renaissance und des Mittelalters unter Jazzaspekten, sondern auch auf alte Musik spezialisierte Ensembles holen sich immer wieder ganz bewusst Jazzmusiker in ihre Reihen.

 

Der Schlagzeuger Hannes Clauss ist ein musikalischer Grenzgänger, der gerne die Barrieren zwischen unterschiedlichen Stilistiken überwindet. Grundsätzlich in den Spielformen des Jazz zuhause - und zwar in einer Breite von modernem Jazz mit melodischen Strukturen bis hin zu Free Jazz und Freier Improvisation - hat er sich auch mit Neuer Musik auseinandergesetzt sowie weltmusikalische Spielweisen (insbesondere afrikanische Motive) in seine Musik integriert. Seine beiden Standbeine, neben diversen anderen Formationen, sind dabei sein eher an melodischem Jazz orientiertes HCL-Quartett sowie das frei experimentierende HCL Ensemble.

Mit dem HCL-Quartett, zu dem der Tenor- und Sopransaxophonist Malte Schiller, der Pianist Oliver Poppe und der Kontrabassist Manfred Bründl gehören, hat Hannes Clauss nun einen weiteren Grenzübertritt riskiert. Besser gesagt handelt es sich um einen regelrechten Brückenschlag, der weit in die früheste europäische Musikgeschichte zurückreicht. Mit der Oldenburger Choral-Schola, unter der Leitung von Manuel Uhing, verbindet das HCL-Quartett gregorianischen Gesang mit Jazz.

 

Der einstimmige Chorgesang sowie der Wechselgesang des Responsoriums aus der frühen kirchlichen Liturgie bieten in ihrer archaischen klaren statuarischen Formensprache, die lediglich durch melismatische Umspielungen aufgelockert wird, ideale Voraussetzungen, um sie mit den Mitteln der Jazzimprovisation aufzubrechen. Das HCL-Quartett wählt dabei zwei unterschiedliche Herangehensweisen. Einerseits folgt das Jazzquartett den vorgegebenen Melodien, untersucht ihre Strukturen, zeichnet sie mit den Mitteln des Jazz nach und variiert sie, andererseits sind es frei assoziierte Begleitungen und melodische Umkreisungen, die sich von den Gesangslinien der Chorsänger durchaus entfernen, sie kommentieren, ihnen gewissermaßen Kontrapunkte entgegensetzen. 

In beiden Fällen nähert sich das Jazzensemble außerordentlich behutsam und respektvoll den sakralen Gesängen, so dass völlig neue Einblicke in diese streng gebaute Musik der Frühzeit gewonnen werden.

                                                                                                                        Christian Emigholz

 

Besetzung: Malte Schiller, ts,ss / Oli Poppe, p / Manfred Bründl, b / Hannes Clauss, dr.

Choral-Schola N.N.

Stimmen zu KYRIE

-Die Jazzmusiker reagieren respektvoll auf die uralten sakralen Chor- und Wechselgesänge, die sich im Kirchenraum besonders gut entfalten.

                                                                                     Steffen Radlmeier, Nürnberger Nachrichten

 

-... wenn ich die Musik höre, die ihr gemeinsam geschaffen habt, dann höre ich vor allem die Strenge und natürlich dann auch die Freiheit. Ich höre etwas, das geöffnet wird. Eine Disziplin, die in Verbindung gebracht wird mit einem neuen Geist der Freiheit, der Freiheit des Jazz.

                                                      Interview: Arne Schumacher mit Hannes Clauss, Radio Bremen

 

- Die Verbindung Gregorianische Gesänge und Jazz hat mich zunächst mal an Gabarek und das Hillard Ensemble erinnert, aber dann nahm es im Verlauf doch andere Formen an, nicht immer symbiotisch, aber sehr schön anzuhören. Auch das Cover ist wunderbar gelungen.

                                                                                                                  Harald Weiss, Komponist